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Ist Vinylboden gesundheitsschädlich? Die Gesundheit ist wichtig

Das im Jahr 1835 erstmals zufällig in einem Labor entstandene Vinylchlorid wurde zunächst nicht weiter beachtet, weil sich zu diesem Zeitpunkt kein Anwendungsfeld dafür fand. Erst im Jahr 1913 wurde aus Vinylchlorid das Polyvinylchlorid (PVC) entwickelt.

Dieses thermoplastische Polymer diente in der Folge als Kunststoff zur Herstellung verschiedenster Produkte. Zwischen, während und nach den beiden Weltkriegen wurden Materialien gesucht, die knappe und teure Rohstoffe ersetzen konnten. PVC war ein solches Material. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 stieg PVC zum meistverwendeten Kunststoff der Welt auf.

Ein hochwertiges Produkt

Ist Vinylboden schädlich?

Ist Vinylboden schädlich?

PVC als Grundstoff erhält in der Produktion je nach Anwendung unterschiedliche Zusätze, die die Eigenschaften des Kunststoffes verändern.

Einer oder besser mehrere dieser Zusätze sind Weichmacher. Sie kommen nicht nur im Vinylboden vor. Viele Produkte des täglichen Gebrauchs wären ohne Weichmacher nicht funktionsfähig. Frischhaltefolien sind hierfür ein Beispiel, aber eben auch Fußbodenbeläge.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem die maßgeblichen Entwicklungen in der Kunststoffproduktion stattfanden, bestand nur ein geringes Wissen zu den Auswirkungen bestimmter Stoffe. So auch zu den verschiedenen Weichmachern, die dem PVC zugesetzt wurden, um es beispielsweise für Bodenbeläge verwenden zu können. Diese Weichmacher bestehen vorwiegend aus der Gruppe der Phthalate.

  • DIDP
  • DINP
  • DEHP
  • DBP
  • DIBP
  • BBP
  • DPHP

Aus dieser Stoffgruppe war es vor allem das DEHP, das über Jahrzehnte hinweg als Weichmacher in unzähligen Produkten, darunter auch Vinylböden, Verwendung fand. Bei DEHP konnte schon zum Ende des 20. Jahrhunderts der Nachweis geführt werden, das es das Hormonsystem des Menschen schädigen kann.

In einigen Produkten, wie etwa Kinderspielzeug, wurde aufgrund dessen DEHP verboten und von der Industrie durch DIDP und DINP ersetzt. In den meisten anderen Produkten wiederum wurde DEHP nicht verboten, sondern als nicht zulässig eingestuft. So auch in Bodenbelägen. Der Unterschied zwischen „Verboten“ und „nicht zulässig“ ist rechtlicher Natur.

Einem Verbot liegt ein Gesetz oder eine Norm zugrunde. Der Begriff „nicht zulässig“, erlaubt die Verwendung, bis eine maßgebliche Stelle der Verwendung widerspricht. Die Grundlage für diese Entscheidung der EU, das DEHP in bestimmten Produkten nur als nicht zulässig zu kennzeichnen, liegt in Studien und Statistiken zur Aufnahme des Stoffes durch den Menschen über unterschiedliche Wege. Dazu hat das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) verschiedene Aufnahmepfade untersucht.

Dazu gehören Lebensmittel, Spielzeuge, Textilien, Schuhe, Kosmetika, Bodenbeläge und der Hausstaub. Dabei wurde festgestellt, das DEHP vornehmlich oral, also über den Mund aufgenommen wird. Aufgrund dessen wurde DEHP vorläufig nicht vollständig verboten. Es besteht jedoch eine Informationspflicht des Herstellers an den Kunden, wenn in Produkten DEHP verwendet wird.

Verboten sind die Phthalate DEHP, DBP und BBP in folgenden Produkten:

  • Babyartikel
  • Spielzeug
  • Lacke
  • Klebstoffe
  • Duftstoffe
  • Kosmetika

Bei der Verpackung von Lebensmitteln gelten bisher nur Beschränkungen und bei Bodenbelägen lediglich die Anweisung zur Informationspflicht. Das bedeutet nun jedoch keineswegs, dass der Hersteller dies direkt deklarieren muss. So ist mit Sicherheit aus das Thema Vinylkleber spannend.

Der Kunde erfährt es erst auf Nachfrage und der Hersteller kann sich hierzu 45 Tage Zeit lassen. Immerhin bietet das Umweltbundesamt über die Seite reach-info.de ein Informationsportal für besorgniserregende Stoffe an, auf dem es auch Vordrucke zur Anfrage bei Herstellern gibt. Somit sollte direkt auch auf selbstklebenden Vinylboden geachtet werden.

Ein Produzent oder auch der Handel wird nie von „Schadstoffen“ in seinen Produkten reden. Tatsächlich müssen die Phthalate aus rechtlicher Sicht nicht einmal als Schadstoffe bezeichnet werden. Dementsprechend kann ein Unternehmen, das sich mit der Fertigung von Vinylböden beschäftigt, ohne weiteres behaupten, das sein Produkt schadstofffrei ist, auch wenn darin DEHP, DBP oder BBP enthalten ist.

Anspruch und Realität

VinylbodenDie größte Problematik liegt nicht allein in den Weichmachern, für die es inzwischen Alternativen gibt.

Auch bei den Alternativen besteht keine 100%-Sicherheit, dass diese nicht gesundheitsschädlich sind. Selbst andere Bodenbeläge können Schadstoffe enthalten.

Weichmacher wie die Phthalate lassen sich industriell preisgünstig und in großen Mengen aus Erdöl gewinnen. Hier kommt nun wieder der Kunde ins Spiel. Einige Kunden haben die Sorge, dass Vinyl gesundheitsgefährdend sein könnte.

Einerseits soll der gewählte Bodenbelag bestimmte Eigenschaften aufweisen, andrerseits jedoch frei von Schadstoffen sein. Interessanterweise spielt dabei gerade bei PVC-Böden der Preis scheinbar keine so große Rolle wie eigentlich anzunehmen ist.

So zeigte der WDR im April 2017 die Ergebnisse des Verbrauchermagazins Ökotest an 12 PVC-Böden, die auf ihre Schadstoffbelastung untersucht wurden. Das traurige Ergebnis war, das nur 2 der getesteten PVC-Böden gerade einmal eine befriedigende Bewertung erhielten.

Zehn Böden wurden aufgrund der enthaltenen Schadstoffe als ungenügend eingestuft. Während die beiden Testsieger auf je 9 Euro pro qm2 kommen, liegen die Verlierer preislich zwischen 4,70 Euro und stolzen 41,50 Euro pro qm2. Das Teuer mit Gut gleichzusetzen ist, trifft in diesem Fall wohl nicht zu.

Aus Sicht der Produktion besitzen Phthalate wie DEHP in der Fertigung unschlagbare Vorteile, zumal gerade die Herstellung von Vinylböden über großtechnische Anlagen abläuft. Alternative Weichmacher können in der Prozesskette zu Störungen im Ablauf führen und eine Umstellung der Fertigung kann schnell zu Investitionsvolumen in Millionenhöhe führen.

Es ist also keineswegs nur reine unternehmerische Raffgier, die die Hersteller bewegt, weiterhin DEHP oder DBP einzusetzen. Dazu kommt, dass die durch die verschiedenen Weichmacher verursachten Gesundheitsschäden nicht direkt auf eine bestimmte Quelle zurückzuführen sind. Niemand wird etwa eine Hormonstörung konkret mit dem Bodenbelag seiner oder ihrer Wohnung in Verbindung bringen können. Dazu gibt es in unserer Umwelt schlicht viel zu viel dieser Weichmacher.

Was kann getan werden? Die Gesundheit steht im Vordergrund

Zuerst einmal, es gibt keine industriell in Großserie gefertigten Bodenbeläge, die nicht bestimmte Schadstoffe enthalten. Es kommt einfach auf die Menge an.

Hier wiederum kann zumindest in Deutschland das Prüfsiegel „Der blaue Engel“ hilfreich sein. Das Prüfsiegel verspricht immerhin, das sich die Schadstoffbelastungen nach dem derzeitigen Wissensstand in gesundheitlich unbedenklichen Grenzen halten. Das ist wesentlich ehrlicher als das Versprechen so mancher Händler und Produzenten, die mit Schadstofffreiheit werben. Dies trifft auch für Vinylboden in der Küche zu.

Die Vielfältigkeit und der praktische Nutzen von Vinylböden sind unbestreitbar. Es bestehen zwar keine Statistiken, wie viel Quadratmeter des Bodenbelags seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verlegt wurden, aber die Erfahrung zeigt, das sich eine signifikante Steigerung bestimmter Krankheiten dadurch bisher nicht zeigte. Immerhin sind Vinylböden bereits seit gut 60 Jahren in Gebrauch.

Dabei hat das Umweltbundesamt festgestellt, das gerade das als sehr schädigend betrachtete DEHP seit dem Verbot stark rückläufig ist.

Zum Schluss noch zwei Hinweise zum Umgang mit Vinylböden. Kleinkinder sollten nicht direkt darauf spielen, um die orale Aufnahme entweichender Schadstoffe so gering wie möglich zu halten. Vinylböden des Öfteren feucht reinigen. Die ausgasenden Phthalate sammeln sich zunächst dicht an der Bodenoberfläche und werden vom Wischwasser aufgenommen.

Es besteht nun jedoch in keiner Weise Grund dazu, Vinylböden einfach abzulehnen oder aufgrund eines in der Wohnung befindlichen PVC-Bodens in Panik zu verfallen. Die bezahlbaren Alternativen sind, alles zusammengenommen, auch nicht besser.


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